Gedichte interpretieren – fünf einfache Schritte!

Gedichte interpretieren – wozu ist das gut?

Die wohl häufigste Situation, in der eine Gedichtinterpretation gefragt ist, ereignet sich im Deutschunterricht in der Schule. Vielleicht musst du in der Klassenarbeit eine Gedichtinterpretation schreiben oder sogar im Abi.

Auch während des Germanistikstudiums, bei einer wissenschaftlichen Tätigkeit oder in der journalistischen Arbeit kann das Interpretieren von Gedichten eine Rolle spielen.

Doch das ist noch lange nicht alles. Gedichte interpretieren kann dich auch weiterbringen, wenn du ein Buch schreiben oder Schriftsteller werden möchtest. Denn möchtest du Gedichte schreiben, so solltest du auch hin und wieder andere Gedichte interpretieren. Dies hilft dir, deine lyrischen Möglichkeiten zu erweitern. Du erlebst das Sprachspiel anderer Poeten. Deine Beschäftigung mit Dichtung fällt viel intensiver aus, als durch die reine Lektüre von Gedichten.

Doch selbst, wenn du einen Roman schreiben möchtest, bringt dich das Interpretieren von Gedichten weiter. Du steigerst dein Sprachgefühl, entwickelst deine rhythmischen Fähigkeiten und entdeckst neue Ausdrucksmöglichkeiten.

Was also bedeutet es, Gedichte zu interpretieren?

Wie gehst du am besten vor?

Und was solltest du dabei beachten?

All das erfährst du in diesem Artikel!

Gedichte analysieren und Gedichte interpretieren – wo liegt der Unterschied?

Manchmal ist die Rede vom Analysieren, manchmal vom Interpretieren von Gedichten.

Nicht auf jede Analyse muss zwangsläufig eine Interpretation folgen. Doch einer jeden Interpretation sollte eine mehr oder weniger ausführliche Analyse vorausgehen.

Inwiefern eine Analyse ohne darauf aufbauende Interpretation Sinn ergibt, ist von Fall zu Fall zu unterschiedlich. Vielleicht hat ein Gedicht eine ganz bestimmte Wirkung auf dich und du möchtest wissen, wie dies sprachlich bewerkstelligt wird. Da kann es sich lohnen, der Machart analytisch auf den Grund zu gehen und auf eine weiterführende Interpretation zu verzichten.

Meistens jedoch stellt die Analyse eines Gedichts die Vorbereitung für die Gedichtinterpretation dar. Lyrik analysieren ist ja kein Selbstzweck. Vielmehr hilft es im besten Fall dabei, deinen Horizont zu erweitern, eine Emotion, einen Gedanken, ein Lebensgefühl, einen Konflikt etc. nachzuempfinden. Dafür ist es nötig, die sprachlichen Auffälligkeiten auch für ein tiefer gehendes inhaltliches Verständnis zu nutzen.
Meist lässt sich die Analyse von der Gedichtinterpretation nicht klar trennen. Sobald semantische Auffälligkeiten in den Fokus rücken, geht das Eine leicht ins Andere über. Häufig ist es unmöglich und auch gar nicht sinnvoll, das Vorkommen einzelner Wörter zu beschreiben, ohne dabei bereits eine Deutung vorzunehmen.

Schritt 1: Gedichte lesen und erleben

Es gibt viele Möglichkeiten, Gedichte lebendig werden zu lassen. Häufig reicht es nicht aus, sie durchzulesen wie einen Sachtext oder eine Erzählung.

Die Akustik der Sprache sollte besonders im Fokus stehen. Der Klang der Wörter und der Rhythmus der Verse ist für das Verständnis von Gedichten äußerst wichtig. Auch die häufig besondere Dichte, sowohl des Inhalts als auch der Form, erfordert eine besondere Art und Weise des Lesens.

Probier die hier genannten Möglichkeiten aus. Finde heraus, welche dir besonders liegt. Integriere diese daraufhin in deine Analyse-, Interpretations- und Lektürepraxis.

Laut lesen

Der wahre Charakter eines Gedichts kommt erst zur Geltung, wenn wir die Verse laut lesen. Dies liegt daran, dass der Klang, der Rhythmus, das Versmaß, Zeilensprünge und vieles mehr erst durch das Hören richtig erlebbar werden.

Alternativ kannst du dir auch eine Aufnahme des Gedichts anhören. Ist diese von einem professionellen Sprecher vorgetragen, so sollten zentrale Bedeutungsdimensionen durch den Gedichtvortrag transportiert werden.

Doch Vorsicht: Der laute Vortrag eines Gedichts ist selbst immer schon ein Stück weit eine Gedichtinterpretation.

Geh also kritisch mit den vom Sprecher getroffenen Entscheidungen um. So behältst du dir ein eigenes Urteil vor.

Auswendiglernen

Früher war das Auswendiglernen von Gedichten ein beliebter Unterrichtsinhalt. Heute ist es eher selten geworden

Nichtsdestotrotz: darin liegt auch heute noch durchaus ein Wert.

Das Auswendiglernen eines Gedichts bedeutet, dass du dich intensiv damit auseinandersetzt. Bei der Rezitation des Gedichts bist du schließlich nicht länger auf den Dechiffrierungsprozess des Lesens angewiesen. Du kannst dich voll und ganz auf die Bedeutung der Worte, ihren Klang und ihr Zusammenspiel konzentrieren.

Das Auswendiglernen bietet damit eine schöne Grundlage für ein tiefgehendes Erleben der lyrischen Wirkung.

Erste Ideen entwickeln

Notiere nach dem ersten Lesen deine Assoziationen und Ideen in Form eines Brainstormings. Auch weitere Techniken, um gute Ideen zu finden, kannst du dazu nutzen.

Dies können zum Beispiel sein:

  • Mind Mapping
  • Clustern
  • Freies Schreiben
  • Listen
  • Tabellen.

Doch worauf sollen sich deine Notizen beziehen?

Hier folgen einige Fragen, die du beantworten kannst. So fällt dir die Ideenfindung noch leichter:

  • Welche Emotionen löst das Gedicht in dir aus?
  • Welcher Vers bleibt dir nach der ersten Lektüre besonders im Gedächtnis?
  • Worum geht es in dem Gedicht?
  • Was fällt dir zur Struktur des Gedichts auf?
  • Welche Wörter und Ausdrücke sind besonders eindrücklich?
  • Welche Stimmung wird durch das Gedicht erzeugt? Wie entwickelt sich diese in dessen Verlauf?

Über diese und andere Fragen hinaus solltest du deine Eindrücke frei notieren. Je öfter du nach der Lektüre eines Gedichts konkrete Fragen beantwortest, umso leichter wird es dir fallen, deine Ideen und Assoziationen auch vollkommen frei zu Papier zu bringen. Hierbei kannst du auch auf die Methode des Freien Schreibens zurückgreifen.

Textnahes Assoziieren

Eine Alternative dazu, nach der Lektüre des kompletten Gedichts deine Ideen zu notieren, bietet diese Methode. Hier gehst du Stück für Stück, Vers für Vers vor. Dabei wirst du zum Chronisten deiner eigenen Bewusstseinsinhalte.

So geht es:

  • Deck das Gedicht mit einem Blatt Papier ab.
  • Schiebe es nun ein Stückchen hinunter und lies den ersten Vers des Gedichts.
  • Notiere, was dir durch den Kopf geht. Dies können Assoziationen zu einzelnen Begriffen, ein erster Gesamteindruck oder auch Emotionen sein, die durch den Vers ausgelöst werden. Auch Fragen und Unklarheiten solltest du aufschreiben.
  • Nach und nach denkst du einen weiteren Vers auf und notierst jeweils deine Eindrücke nach dessen Lektüre.

Assoziationen zum Titel

Vor der eigentlichen Lektüre des Gedichts kannst du Assoziationen zum Titel sammeln. Dies dient als Vorbereitung auf alles, was folgt.

Durch diese Methode bildest du eine Basis, um den Inhalt der Verse in einem nächsten Schritt mit dem Titel des Gedichts ins Verhältnis zu setzen. Häufig bildet dies einen wichtigen Aspekt der Gedichtinterpretation.

Mehrmaliges Lesen

Mit dem einmaligen Lesen des Gedichts ist es bei einer Gedichtinterpretation nicht getan. Begreife die Lektüre besser als Prozess. Lies das Gedicht wieder und wieder, bis du ein intensives Gespür für dessen Inhalt und Form gewonnen hast.

Am effektivsten ist diese Beschäftigung mit dem Gedicht, wenn du mit einer Kopie arbeitest, auf der du Markierungen vornehmen kannst. Nimm einen Stift zur Hand und unterstreiche, kringle ein, notiere Stichpunkte und Fragen an den Rand usw. Du kannst auch mit Farbstiften arbeiten – so markierst du Parallelen, sei es semantischer oder formaler Natur.

Malen, Musizieren oder Bewegung

Eine alternative Möglichkeit, um Gedichte zu erleben, besteht darin, deine Eindrücke und Erfahrungen in eine ganz andere Darstellungsweise zu überführen: Tanz das Gedicht, mal das Gedicht, mach passende Geräusche!

Welche Gestaltungsform auch immer du wählst: Du musst dabei Entscheidungen treffen. Du bringst hierbei die Auseinandersetzung auf eine künstlerische Ebene und vermeidest es, dich rein rational mit dem Gedicht auseinandersetzen.

Wähle eine der folgenden Möglichkeiten:

  • Wie würde das Gedicht als Tanz aussehen? Beweg dich entsprechend!
  • Welche Farben passen zu dem Gedicht? Mal ein Bild!
  • Wie würde das Gedicht als Musikstück klingen? Experimentiere!

Vortragsweise gestalten

Mit dem lauten Lesen allein ist es nicht getan. Um ein Gedicht in seinem vollen Bedeutungsumfang zu begreifen, kommt es darauf an, wie du es liest oder vorträgst.

Entscheide dich auf den unterschiedlichen Ebenen für eine Variante, die deinem Verständnis des Gedichts entspricht:

  • Betonung: Welchen Worten möchtest du besonderes Gewicht geben? Welche Verse findest du zentral? Welche Silben sollen in deinem Vortrag herausstechen? Nimm entsprechende Markierungen vor.
  • Tempo: Entscheide dich für eine Geschwindigkeit deines Vortrags, die die Wirkung des Gedichts unterstützt. Darüber hinaus kannst du kontinuierlich das Tempo variieren. Dies sollte jedoch nicht willkürlich geschehen, sondern gezielt. Erhöhe die Spannung oder betone die Emotionen, indem du deinen Vortrag verlangsamt. Betone die Geschwindigkeit des Geschehens im eigentlichen oder übertragenen Sinne, in dem du deinen Vortrag beschleunigst.
  • Klangfarbe: Diese eher subtile Kategorie bedarf einiges an Übung. Du kannst deine Stimme dafür nutzen, die Worte deines Gedichts mit einer weiteren Bedeutungsdimension anzureichern. Sollen die einzelnen Verse eher fröhlich, düster, traurig, wütend oder gleichgültig klingen? Deine Entscheidung drückt aus, was du von dem Gedicht verstanden hast. Übertreibe es mit dieser Möglichkeit jedoch nicht, sonst wirkt dein Vortrag schnell gestelzt.
  • Lautstärke: Geh auch mit der Lautstärke deines Vortrags bewusst um. Sie lässt sich zum Erzielen ähnlicher Wirkungen einsetzen, wie die Geschwindigkeit. Beide Steuerungsmöglichkeiten müssen jedoch keinesfalls deckungsgleich erfolgen, sie können auch in ein Spannungsverhältnis treten.
  • Pause: Setz Pausen gezielt ein. Nicht nur die Länge und die Position der Pausen, auch deren Anzahl und Regelmäßigkeit tragen zur Gesamtstimmung bei.

Austausch zum Erlebten

Wenn wir ein Gedicht lesen und erleben, so tun wir das auf unsere ganz eigene Weise. Unser Bewusstsein ist kein leeres Blatt Papier. Selbst, wenn wir versuchen, unvoreingenommen Neuem zu begegnen, sind wir durch unsere Vorerfahrungen geprägt. Unsere Prägungen beziehen sich auf Gefühle, Erlebnisse sowie unser Sprachverständnis.

Tausch dich mit anderen Menschen zu deinen Eindrücken aus. Es lohnt sich!

So stellen wir Parallelen fest oder machen uns auf unterschiedliche Lesarten aufmerksam. Du reicherst deinen ersten Eindruck des Gedichts damit durch weitere Perspektiven an.

Schritt 2: Interpretationsthesen entwickeln

Eine Interpretationsthese – was ist das eigentlich?

Es ist der Versuch, auf den Punkt zu bringen, was du verstanden hast. Sie bildet den Kern deiner Gedichtinterpretation.

Möchtest du Gedichte interpretieren, so heißt das, ein möglichst fundiertes Gesamtverständnis zu entwickeln. Berücksichtige hierbei sowohl inhaltliche als auch sprachliche Aspekte.

Zu Beginn deines Interpretationsprozesses stellst du eine Hypothese auf. Im Verlauf deiner Analyse und deiner Interpretation versuchst du nun, sie zu bestätigen, zu hinterfragen und zu differenzieren. Am Ende steht deine Gedichtinterpretation, die sich mit deiner Interpretationsthese auf den Punkt bringen lässt.

Doch wie gelangst du zu diesem Fazit?

Die notwendigen Schritte werden nun an einem Beispiel verdeutlicht – und zwar an Ringelnatz‘ Bumerang.

Bumerang

War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.

Joachim Ringelnatz

Worum geht es eigentlich?

Die einfachste Möglichkeit, um eine Interpretationsthese zu entwickeln, besteht darin folgende Frage zu beantworten:

Worum geht es eigentlich?

In deiner Antwort versuchst du nun den ersten Eindruck bzw. die offensichtliche Bedeutung des Gedichts mit einer Bedeutung, die er zwischen den Zeilen liegt, zur verknüpfen:

  • Was schwingt bei den Worten alles mit?
  • Welche Stimmung wird durch Metrum, Reime und Versmaß erzeugt?
  • Welche bildhafte Bedeutung könnte in den Worten stecken?

Eine Antwort auf diese und weitere Fragen kann zu deiner Interpretationsthese führen.

Zu unserem Beispiel:

Ringelnatz Bumerang beginnt mit den Worten „War einmal (…)“. Damit wird das Genre Märchen aufgerufen. Gleich im zweiten Vers wird die problematische Situation des Bumerangs erläutert. In Vers zwei und drei wird nun erzählt, was geschieht. Vers 3 und 4 bringen in einer Schlusspointe das Publikum einer Vorführung und dessen Haltung auf den Punkt.

Mögliche Hypothesen, die auf diesen ersten Eindrücken aufbauen:

  • Poetologische Lesart: Das Gedicht führt in drei Schritten vor, wie sich eine pointierte, komische Geschichte aufbauen lässt.
  • Sozialkritische Lesart: Im Gedicht wird die Trägheit der Masse und deren Festkleben an ihrem Weltbild thematisiert.
  • Autobiographische Lesart: Der Autor verarbeitet die herausfordernde Situation des Künstlers anhand einer lyrisch gestalteten Erfahrung des Scheiterns.

Wirkung, Inhalt und Sprache

Verknüpfe in deiner Interpretationsthese Wirkung, Inhalt und Sprache. Hierbei helfen dir deine Notizen nach dem ersten Lesen.

Beantworte dazu folgende Fragen:

  • Welche Stimmung wurde bei dir ausgelöst?
  • Welche Assoziationen hast du?
  • Worum geht es in den einzelnen Versen?

Setz deine Antworten nun in Bezug zu den grundsätzlichen formalen Entscheidungen des Dichters:

  • Gehorcht das Gedicht einem regelmäßigen Rhythmus?
  • Liegt eine bestimmte Struktur vor?
  • Oder ist das Gedicht in freien Versen geschrieben?
  • Welche rhetorischen Mittel, welche Ausdrucksweise, welche Metaphern und Vergleiche fallen auf den ersten Blick ins Auge?

Verbinde die Antworten auf diese Fragen möglichst in einem Satz mit deinen ersten Eindrücken vom Inhalt und der Sprache des Gedichts.

Zu unserem Beispiel:

Verbindung aus Form und Inhalt: Ringelnatz‘ Bumerang ist mehr Witz als Gedicht, indem die Pointe der Kürzestgeschichte, aus der es besteht, auch strukturell durch den syntaktischen Aufbau unterstützt wird.

Die Entstehungszeit im Blick

Um eine Interpretationsthese aufzustellen, kannst das Gedicht auch in seinen literaturhistorischen Kontext setzen. Hierzu solltest du einige grundlegende Aspekte zum Dichter und/oder seiner Epoche recherchieren.

Hast du es beispielsweise mit einem Gedicht aus dem Naturalismus zu tun, setz dieses mit den grundlegenden Eigenschaften dieser Strömung ins Verhältnis. Das Gedicht kann entsprechend als typisches Beispiel seiner Zeit erscheinen oder einen Kontrast zu seiner Entstehungszeit bilden.

Vorsicht Stolperfalle: Achte darauf, es bei deiner Interpretation nicht nur bei der einfachen Aussage zu belassen, es handle sich um ein Beispiel dieser oder jener Epoche. Bring vielmehr auf den Punkt, inwiefern es sich um ein solches handelt.

Zu unserem Beispiel: Ringelnatz‘ Bumerang, entstanden im Jahr 1923, sticht in der Literaturepoche der Moderne durch seine humoristische Betrachtungsweise heraus.

Schritt 3: das Gedicht analysieren

Gedichte interpretieren – das geht nicht, ohne sie zu analysieren.

Doch worin genau liegt der Unterschied zwischen der Analyse eines Gedichts und einer Gedichtinterpretation?

Die Analyse eines Gedichts lässt sich als Teil oder Vorstufe einer Gedichtinterpretation verstehen. Hier geht es noch nicht um eine abschließende Deutung. Vielmehr werden Inhalt und Sprache anhand konkreter Kriterien einer Untersuchung unterzogen.

Welches sind die wichtigsten Instrumente bei der Analyse eines Gedichts?

Die Kommunikationssituation

Die vielleicht wichtigste Grundannahme, um Gedichte zu interpretieren, bezieht sich auf den Charakter eines Gedichts als literarischen Text. Es handelt sich nicht um eine persönliche Aussage eines Individuums, sondern um Kunst im weitesten Sinn. Der literarische Text gehorcht entsprechend anderen Prinzipien als eine rein autobiografische oder journalistische Auseinandersetzungen mit einem Thema.

Auf Gedichte bezogen kommt die Instanz des Lyrischen Ichs zur Geltung. Ähnlich wie dem Erzähler in einem epischen Text (also in Kurzgeschichten, Erzählungen oder Romanen) werden dem Lyrischen Ich die Worte in Gedichten zugerechnet. Es ist also nicht der Autor, der spricht. Aussagen eines Gedichts lassen sich nicht mit Aussagen des Dichters (etwa in Interviews oder Meinungsbeiträgen) gleichsetzen. Es ist die Instanz des Lyrischen Ichs.

Das Lyrische Ich kann explizit zur Sprache kommen, indem von „ich“ die Rede ist. Es kommt jedoch auch implizit durch die jeweilige Wortwahl zur Geltung.

Dem Lyrischen Ich kann ein Lyrisches Du gegenüberstehen. So liegt eine spezifische Kommunikationssituation vor. Hier haben wir einen Sender und einen Empfänger, an den sich dieser richtet.

Bei der Analyse des Gedichts sollte diese Kommunikationssituation erkannt und benannt werden. Diese und weitere Fragen sind dabei zu beantworten:

  • Was erfahren wir über das Lyrische Ich?
  • Tritt es explizit oder lediglich implizit auf?
  • Richtet es sich direkt oder indirekt an ein Du?

Aufbau und Struktur

Unabhängig vom Inhalt des Gedichts stellt die Analyse der Struktur einen wichtigen Grundbaustein dar.

Auf folgende Punkte ist dabei zu achten:

  • Aus wie vielen Strophen besteht das Gedicht?
  • Wie viele Verse beinhalten die Strophen jeweils?
  • Fallen hierbei Regelmäßigkeiten oder Brüche auf?
  • Entspricht die zutage tretende Struktur einer bestimmten lyrischen Form? (Beispiel: ein Sonett besteht üblicherweise aus zwei Strophen à vier Versen und drei Strophen à drei Versen.)

Semantische Felder erkunden

Einer der ersten Schritte bei der Analyse eines Gedichts sollte daraus bestehen, die Wortwahl in den Blick zu nehmen.

Wovon ist eigentlich die Rede? Welche konkreten Ausdrücke werden genutzt?

Diese grundlegenden, banal anmutenden Fragen sind nicht leichtfertig zu behandeln. Eine genaue Analyse der semantischen Felder kann bereits einen Großteil der Analyseergebnisse ausmachen.

Richte deinen Fokus insbesondere auf folgende Punkte:

  • Welche Assoziationen schwingen bei einem bestimmten Ausdruck mit?
  • Was erfahren wir durch die Wortwahl über das Lyrische Ich?
  • Wie entwickelt sich die Wortwahl im Verlauf des Gedichts?
  • In welchem Verhältnis stehen die genutzten Wörter zueinander bezeichnen
  • Sind die einzelnen Ausdrücke einem bestimmten Bedeutungsfeld zuzuordnen?
  • Lassen Sie sich in mehrere Bedeutungsfelder einteilen?
  • Welche Stimmung wird so erzeugt?

Metrum, Versmaß und Kadenz

Eine zentrale Dimension, mit der enorme Wirkung erzielt werden kann, bildet der Sprachrhythmus des Gedichts. Lies das Gedicht lauf, um diesen zu analysieren.

Der zentrale Schritt einer Rhythmusanalyse besteht in der Bestimmung des Metrum.

Folgende Metren sind weit verbreitet:

  • Jambus: unbetont-betont; (Matthias Claudius‘ Der Mond ist aufgegangen: „Der Mond ist aufgegangen / die goldnen Sternlein prangen / am Himmel hell und klar.“)
  • Trochäus: betont-unbetont; (Johann W.v. Goethes Der Zauberlehrling: „Hat der alte Hexenmeister / sich doch einmal wegbegeben“)
  • Daktylus: betont-unbetont-unbetont; (Friedrich Schillers Die Erwartung: „Hör‘ ich das Pförtchen nicht gehen? / Hat nicht der Riegel geklirrt?“)
  • Annapäst: unbetont-unbetont-betont; (Hannes Waders Heute hier, morgen dort: „Heute hier, morgen dort / bin ich da, muss ich fort.“)

Es ist nicht immer ganz einfach, das Metrum eines Gedichts herauszufinden. Hier kann es helfen, die Betonungen mitzuklatschen.

Doch Vorsicht: Ein häufiger Fehler besteht darin, eine Art künstlichen Rhythmus dem Gedicht überzustülpen. Beim Lesen solltest du deshalb besonders darauf achten, den üblichen Sprachrhythmus beizubehalten.

Nicht in jedem Gedicht liegt ein klar bestimmbares Metrum vor. Auch freie Metren oder Mischungen aus zwei oder mehr Möglichkeiten kommen häufig vor.

Beim Versmaß untersuchst du, ob eine regelmäßige Länge der einzelnen Verse vorliegt. Die Anzahl der Betonungen, als Erhebungen bezeichnet, wird dabei gezählt. Am Ende jedes Verses kann zudem eine männliche Kadenz (betont) oder eine weibliche (unbetont) vorliegen.

Beispiel: „Der Mond ist aufgegangen“ besteht aus einem dreihebigen Jambus mit weiblicher Kadenz.

Einzelne Versmaße verfügen also über jeweils spezifische Bezeichnungen. Üblicherweise setzt sich diese aus der Hebung, dem Metrum und der Kadenz zusammen. Es gibt jedoch auch spezielle Bezeichnungen für besonders übliche Versmaße. Die vielleicht berühmtesten sind der Knittelvers, der Alexandriner, der Blankvers sowie die Stanze.

Über die Bestimmung des Metrums hinaus, sollten mögliche weitere rhythmische Auffälligkeiten erkannt werden.

Folgende Fragen geben dir Hinweise, wonach du suchen solltest:

  • Gibt es Verse oder einzelne Ausdrücke, die herausstechen?
  • Entwickelt sich der Rhythmus des Gedichts oder bleibt er durchgehend ähnlich?
  • Gehen die einzelnen Verse ineinander über, gibt es sogenannte Enjambements (Zeilensprünge) oder bildet jeder Vers für sich eine rhythmische Einheit?

Reimschema analysieren

Nicht jedes Gedicht muss sich reimen. Sind jedoch Reime vorhanden, so haben sie einen erheblichen Einfluss auf die Wirkung. Ein Reimschema kann, muss sich jedoch nicht durch ein gesamtes Gedicht zieht. Es kann auch lediglich punktuell oder in Kombination mit anderen Reimschemas auftreten.

Hier nun die wichtigsten Reimschemas an Beispielen:

Paarreim (aabb) am Beispiel von Heinrich Heines Epilog:

Unser Grab erwärmt der Ruhm.

Torenworte! Narrentum!

Eine beßre Wärme gibt

Eine Kuhmagd, die verliebt


Umarmender Reim (abba) am Beispiel von Klabunds Ironische Landschaft:

Gleich einem Zuge grau zerlumpter Strolche

Bedrohlich schwankend wie betrunkne Särge

Gehen Abendwolken über jene Berge,

In ihren Lumpen blitzen rote Sonnendolche.

Kreuzreim (abab) am Beispiel von Theodor Fontanes Frühling:

Nun ist er endlich kommen doch
in grünem Knospenschuh.
„Er kam, er kam ja immer noch“,
die Bäume nicken sich’s zu.

Weitere, weniger verbreitete, Reinformen, die jedoch durchaus immer wieder vorkommen, sind der Binnenreim, der Staabreim, der Doppelreim sowie der Schüttelreim.

Rhetorische Mittel erkennen

Auch das Erkennen rhetorischer Mittel bildet einen wichtigen Baustein der Analyse eines Gedichts. Hier verdichtet sich die Bedeutung anhand syntaktische oder semantischen Figuren. Besonders häufig treten in Gedichten Metaphern, Allegorien und Vergleiche auf.

Eine Metapher lässt sich als Übertragung von Bedeutung aus einem semantischen Feld auf ein anderes verstehen. Heißt es zum Beispiel „Jemand sucht die Nadel im Heuhaufen“, so ist weder von einer Nadel noch von einem Heuhaufen im eigentlichen Sinn die Rede. Die sinnlose und verzweifelte Suche wird vielmehr durch dieses Bild deutlich gemacht.

Eine Allegorie lässt sich als fortgesetzte Metapher verstehen. Die übertragene Bedeutung entfaltet ihre Wirkung hier nicht nur in einem einzelnen Bild. Vielmehr wird diese auf mehrere Beispiele ausgedehnt. Sie kann sich so über ein gesamtes Gedicht erstreckt.

Beim Vergleich liegt, anders als bei der Metapher und der Allegorie, sowohl die Sach- als auch die Bildebene explizit vor. Hier wird also vorgegeben, welche Bedeutung mit welcher anderen Bedeutung in Zusammenhang gebracht wird. Heißt es zum Beispiel „Seine Seele, so schwarz wie die Nacht“, wird dem Leser nahegelegt, die Eigenschaften der Nacht auf die Seele zu übertragen.

Einige weitere, weit verbreitete, rhetorische Mittel sind:

  • Alliteration: Der Anfangslaut benachbarte Wörter wiederholt sich.
  • Anapher: Das gleiche Wort findet sich am Anfang mehrerer aufeinanderfolgender Verse oder Strophen.
  • Ellipse: Einzelne Satzteile werden ausgelassen.
  • Interjektion: Ausruf, der aus einzelnen Wörtern oder Wortgruppen besteht.
  • Klimax: Drei Wörter oder Wortgruppen bilden gemeinsam eine Steigerung.
  • Oxymoron: Zwei Begriffe mit gegensätzlicher Bedeutung werden miteinander verbunden.
  • Paradoxon: Zwei widersprüchliche Begriffe oder Aussagen werden miteinander verknüpft.
  • Personifikation: Gegenständen, Naturereignissen oder nicht-menschlichen Wesen werden menschliche Eigenschaften zugesprochen.
  • Rhetorische Frage: Eine Frage wird gestellt, ohne darauf eine Antwort zu erwarten

Schritt 4: Sprache, Inhalt und Wirkung als Einheit

Mit diesem Schritt steht und fällt die Qualität deiner Gedichtinterpretation.

Schilderst du lediglich Beobachtungen zur sprachlichen Machart des Gedichts, so bleibt es bei der reinen Analyse. Hast du zwar gute Ideen zur inhaltlichen Deutung und notiertest deine entsprechenden Assoziationen, bindest sie jedoch nicht an die Analyse, so sind deine Ergebnisse nicht fundiert. Schnell wirst du hierbei dem Vorwurf begegnen, ungenau zu arbeiten oder deine Interpretation lediglich zu fabulieren.

Sprache, Inhalt und Wirkung des Gedichts sind bei der Gedichtinterpretation als Einheit zu denken. Alle drei Bereiche bedingen sich gegenseitig. Das Wechselspiel innerhalb dieser Einheit nachzeichnen, sich selbst und dem Leser vor Augen führen – die ist das eigentliche Ziel, wenn du ein Gedicht interpretierst.

Inhaltliche Loslösung vermeiden

Eine Interpretation ist immer subjektiv.

Jeder kann das rauslesen, was er will.

Was ein Gedicht bedeutet, dazu hat doch jeder eine andere Meinung.

Dies sind typische Sätze, denen man als Deutschlehrer im Unterricht immer wieder begegnet. Einerseits ist etwas Wahres dran, andererseits steckt in ihnen eine Gefahr. Verstehst du sie falsch, wird es dir nicht gelingen, eine überzeugende, formal und inhaltlich anspruchsvolle Gedichtinterpretation zu verfassen.

Selbstverständlich bringst du beim Interpretieren literarische Texte deine eigene Prägung mit. Diese bezieht sich auf dein Weltwissen, auf deine Lektüreerfahrung und -kompetenz sowie – dies vor allem – auf deine Sprache.

Jeder Mensch verbindet mit einem Begriff etwas anderes, zumindest zum Teil. Eine Gedichtinterpretation wird entsprechend niemals objektiv sein, sondern hängt vom jeweiligen Subjekt ab, das sie vollzieht.

Und das ist auch gut so.

Gerade auf den hermeneutischen Akt, also auf den Prozess der Verstehensleistung, kommt es an. Könnte es eine allgemeingültige, objektive Lesarten eines Gedichts geben, bräuchte es keine Gedichtinterpretation mehr.

Dies darf jedoch nicht zum Missverständnis verleiten, die Interpretation eines Gedichtes sei beliebig. Nur, weil sie mit deinen persönlichen Erfahrungen zusammenhängt, ist sie das noch lange nicht.

Besonders groß ist die Gefahr, sich bei der Analyse und Interpretation zu sehr vom eigentlichen Ausgangstext zu lösen. Passiert dies, werden vermeintlich kreative Interpretationsweisen zur reinen Spekulation. Es ist eben nicht alles möglich, sonder nur das, was von der Textgrundlage plausibel gedeckt ist.

So sehr das freie Assoziieren bei der ersten Ideensammlung wichtig sein kann, so sehr sollten dessen Ergebnisse an konkreten Beispielen überprüft werden. Erst diese Rückkopplung verleiht deiner Lesarten die nötige Seriosität. Erst sie macht es möglich, mit anderen in den Austausch zu treten, der mehr ist als ein reines Teilen erlebter Wirkungen.

Beschränkung aufs rein Formale vermeiden

Grundlegende formale Aspekte des zu interpretierenden Gedichts zu benennen ist wichtig. Doch solltest du allzu spezifische Beobachtungen zur Form vermeiden, sind diese komplett losgelöst vom Inhalt.

Das reine Auflisten von rhetorischen Figuren u.ä. geht entsprechend an der Sache vorbei.

Über die grundsätzlichen sprachlichen Eigenschaften eines Gedichts (Aufbau, Struktur, Reimschema, Rhythmus) hinaus, sind analytische Beobachtungen nur dann relevant, wenn sie für die Interpretation von Bedeutung sind. Das Benennen rhetorischer Figuren sowie semantischer oder syntaktische Auffälligkeiten sollte entsprechend niemals losgelöst von der eigenen Interpretation erfolgt.

Wirkung der Analyseergebnisse

Die Wirkung der lyrischen Sprache beschreiben ist bei der Gedichtinterpretation zentral. Zugleich lauert hier die Gefahr, zu unplausiblen Ergebnissen zu kommen.

Häufig lässt sich eine Art Überkompensation beobachten. Die Interpretierenden sind sich der Gefahr bewusst, sprachliche Beobachtungen lediglich aufzuzählen oder Einschätzungen losgelöst von der Analyse zu betreiben. Doch anstatt die inhaltlichen und sprachlichen Einzelbeobachtungen in einen stringenten Zusammenhang zu bringen, versuchen Sie, die Wirkung isolierter Phänomene zu beschreiben.

So entstehen häufig relativ unplausible Deutungen einzelner sprachlicher Aspekte. Die Wirkung eines Paarreims wird beispielsweise als Ausdruck von romantischer Verbundenheit beschrieben, ohne die Thematik des Gedichts zu berücksichtigen. Bestimmte Laute oder rhythmische Regelmäßigkeit werden gedeutet, ohne plausibel an die Interpretationshypothese anzukoppeln.

Die rein sprachliche Analyse und die Bedeutung des Gedichts miteinander zu verbinden, bedeutet nicht, jedes Einzelphänomen zwanghaft in Bezug auf seine Wirkung zu beschreiben. Vielmehr sollte der Blick auf das Gesamte nie vernachlässigt werden.

Deine erste Deutungshypothese hilft dir bei diesem Vorhabe. Wie genau, das erfährst du im Folgenden.

Zusammenhang zur Deutungshypothese?

Hast du ein Gedicht ausführlich analysiert und dir zahlreiche Notizen zu Inhalt und Wirkung gemacht? Und dennoch fällt es dir schwer, die einzelnen Elemente in einen stringenten Zusammenhang zu bringen? Was also ist zu tun?

Die kontinuierliche Rückkopplung zur eigentlichen Fragestellung oder Deutungshypothese bietet eine elegante Möglichkeit. Achte immer wieder auf folgende Punkte:

  • Welche Einzelbeobachtungen aus den unterschiedlichen Bereichen lassen sich miteinander kombinieren?
  • Inwiefern tragen sie zu deiner Untersuchung bei?
  • Wie stehen Sie mit deinen anderen Beobachtungen im Verhältnis?

Beantworte diese Fragen vor dem eigentlichen Schreiben deiner Gedichtinterpretation. So gehst du sicher, dass deine Ausführungen am Ende auch für deine Fragestellungen relevant sind.

Schritt 5: Eine Gedichtinterpretation schreiben

Gedichte interpretieren bedeutet keinesfalls gleich loszuschreiben. Erst einmal geht es ums Lesen und darum, sich Notizen zu machen. Doch schließlich ist in den meisten Fällen durchaus eine ausformulierte Bearbeitung erforderlich. Am Ende steht die fertige Gedichtinterpretation.

Was ist beim eigentlichen Schreiben einer Gedichtinterpretation zu beachten und wie gehst du am besten vor?

Einen Schreibplan erstellen

Bevor es ans Ausformulieren geht, benötigst du einen Plan. Hierbei sortierst und ordnest du all deine Markierungen und Notizen, die deine Analyse-und Interpretationsergebnisse beinhalten.

Dein Schreibplan kann eher grob oder äußerst ausführlich ausfallen. Dies sollte von deinen persönlichen Schreibneigungen und Fähigkeiten sowie der zu bewältigenden Aufgabe abhängen.

Integriere in deinen Schreibplan deine wichtigsten Beobachtungen und Schlussfolgerungen sowie passende Zitate. Am wichtigsten ist es, dass du deine Einzelergebnisse in einen schlüssigen Zusammenhang überführst.

Sprachstil und Ausdruck

Achte beim Schreiben deiner Gedichtinterpretation auf einen angemessenen Sprachstil und Ausdruck. Was ist guter Stil? Dazu gibt es keine allgemeingültige Antwort.

Dennoch lassen sich einige zentrale Punkte benennen:

  • Vermeide eine umgangssprachliche Wortwahl und nutze die Fachsprache, die dir dieser Artikel unter anderem vermittelt.
  • Deine Satzstruktur sollte so komplex wie nötig sein, um das Gemeinte rüberzubringen. Zugleich sollte sie so einfach wie möglich sein, um dem Leser die Lektüre zu vereinfachen.
  • Achte auf eine möglichst deskriptive, also beschreibende Wortwahl. Mach stilistisch insbesondere deutlich, wo du eigene Gedanken äußerst und wo du dich auf die Gedanken anderer beziehst. Nutze hierzu den Konjunktiv.
  • Glieder deine Ausführungen durch passende Bindewörter. Dies gibt deinem Text die notwendige Struktur und der Leser kann deinen Gedankengängen besser folgen.

Die Einleitung

In die Einleitung deiner Gedichtinterpretation gehören die grundlegenden Informationen zu dem interpretierten Gedicht:

  • Wer hat es geschrieben?
  • Wie lautet der Titel?
  • In welcher Zeit oder Epoche ist es verfasst oder veröffentlicht worden?

Des Weiteren solltest du deinen ersten Eindruck, eine Interpretationshypothese oder eine Fragestellung formulieren, der du im Weiteren nachgehen möchtest. Auch eine Kombination dieser Elemente ist denkbar.

Grundlegende formale Aspekte

Jede Gedichtinterpretation sollte grundlegende formale Merkmale des Gedichts verdeutlichen:

  • Ist eine regelmäßige Struktur erkennbar und wenn ja welche?
  • Liegt ein Reimschema vor und wenn ja welches?
  • Wie steht es um den Rhythmus und das Metrum?

Am Besten ist es, du stellst einen Block dieser grundlegenden formalen Aspekte dem Hauptteil deiner Gedichtinterpretation voran.

Doch Vorsicht:

Vermeide es, zu viele Ergebnisse deiner Analyse anzuführen, ohne sie mit dem Inhalt, der Wirkung oder der Aussage des Gedichts verknüpfen. Ansonsten entsteht schnell der Eindruck, dass deine Ausführungen für die Interpretation und das Verständnis des Gedichts nicht relevant sind.

Strukturierte Analyse und Interpretation

Den größten Teil deiner Ausführungen sollte eine sinnvoll strukturierte Analyse sowie die darauf aufbauende Interpretation ausmachen. Dies ist das Herzstück deiner Auseinandersetzung mit dem Gedicht. Insbesondere die Verbindung aus Sprache, Inhalt und Wirkung sollte hier zur Geltung kommen.

Hast du einen sinnvollen Schreibplan erstellt, hilft dir dies nun immens. Geh strukturiert vor und denke dabei immer daran, dass die Leser dir folgen sollen.

Behalte deine Interpretationshypothese oder deine Fragestellung immer im Blick. Verdeutliche, inwiefern deine Ausführungen mit ihr zusammenhängen. Die einzelnen Schritte deiner Interpretation verschmelzen so zu einem großen Ganzen.

Richtig zitieren und Beobachtungen belegen

Nutze Zitate und Belege, um deine Ausführungen zu belegen. So verdeutlichst du deine Analyse und Interpretation exemplarisch an Beispielen. Dies hilft dir auch dabei, dich beim Interpretieren nicht zu weit vom eigentlichen Text zu entfernen.

Ein Gedicht interpretieren bedeutet nicht, dass alles möglich ist. Vielmehr solltest du deine Erkenntnisse an konkreten Versen nachweisen können. Die Lektüre deiner Gedichtinterpretation gestaltet sich so auch kurzweiliger. Erst durch das treffende Beispiel werden deine Überlegungen für andere nachvollziehbar.

Integriere die Zitate am besten in deine Sätze. So werden sie zu einem sinnvollen Teil deiner Ausführungen und behindern den Lesefluss nicht.

Hier ein Beispiel:

Indem Ringelnatz sein Gedicht Bumerang mit dem Wort „Bumerang“ (V.6) beendet, wird es trotz des nicht zurückkehrenden gebogenen Holzes zu einer runden Sache.

Ein Fazit ziehen

Am Ende deiner Gedichtinterpretation sollte ein Fazit stehen. Hier fasst du deine Ergebnisse zusammen und bringst die Haupterkenntnisse auf den Punkt.

Beziehe dich hier auf deine Eingangsthese oder greife deine Fragestellung auf:

  • Hat sich der erste Eindruck bestätigt?
  • Sind wichtige neue Aspekte hinzugekommen?
  • Oder hat sich durch die eingehende Analyse ein anderes Bild ergeben?

Das Fazit sollte darüber hinaus einen Ausblick beinhalten. Dieser kann aus deinem ganz persönlichen Eindruck von dem Gedicht bestehen. Auch Bezüge zu anderen Texten oder der Hinweis auf relevante aktuelle Entwicklungen sind möglich.

Gedichte interpretieren als Horizonterweiterung

Wozu solltest du eigentlich Gedichte interpretieren?

Vergessen wir einmal die Möglichkeit, dass du eine Gedichtinterpretation als verpflichtende Aufgabe hast, ohne eine solche wirklich schreiben zu wollen. Stellen wir uns vor, du interpretierst ein Gedicht aus eigenem Antrieb.

Weshalb solltest du das tun?

Das Interpretieren von Gedichten bringt dich auf vielfache Weise voran:

  • Du erweiterst deine Lesekompetenz, insbesondere im Bereich Lyrik.
  • Wenn du Gedichte besser verstehst, macht es zukünftig auch mehr Freude sie zu lesen.
  • Du eignest dir vielfache sprachliche Möglichkeiten an, die du auch für deine eigenen Texte nutzen kannst.
  • Möchtest du Schriftsteller werden, so erweiterst du durch das Interpretieren von Gedichten deine Schreibkompetenz in allen Bereichen des Kreativen Schreibens.
  • Möchtest du selbst Gedichte schreiben, so erweiterst du durch das Interpretieren von Gedichten dein lyrisches Handwerkszeug.
  • Eine bildhafte Sprache kann dir in vielen Lebenssituationen helfen – durch das Interpretieren von Gedichten eignest du sie dir an.

Gedichte interpretieren – das ist viel mehr als eine Schulaufgabe. Die intensive Auseinandersetzung mit lyrischen Texte stellt nicht zuletzt auch eine Horizonterweiterung dar.

Du beschäftigst dich mit den Emotionen, Gedanken, Eindrücken, Konflikten und Perspektiven eines Lyrischen Ichs. So bekommst du Impulse für dein eigenes Denken und Fühlen. Gedichte lesen, analysieren und interpretieren stellt so eine der schönsten Möglichkeiten dar, um den eigenen Horizont zu erweitern.

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