Sagen wir, du hast es nicht übertrieben eilig. Aber ewig in die Zukunft schieben möchtest du dein Vorhaben auch nicht: Einen Roman schreiben. Du gibst dir also ein Jahr. Das klingt einerseits überschaubar, andererseits nach einem schaffbaren Plan.
Da kommt dir dieses Buch wie gerufen: Ein Roman in einem Jahr. Eine Anleitung in 52 Kapiteln von Louise Doughty. Erfahre hier, ob dieser Schreibratgeber der richtige Begleiter für deine Absicht ist, Romanautor zu werden.
Worum geht es?
Welche Erwartungen werden mit dem Titel geweckt und kann der Ratgeber diese erfüllen? Ein genauer Blick auf Aufbau und Inhalt hilft weiter.
Was das Buch behauptet zu sein
Laut Untertitel und Klappentext möchte dir dieser Ratgeber eine Anleitung zum Romanschreiben geben. Die 52 Kapitel beziehen sich entsprechend auf die 52 Wochen eines Jahres. Es macht den Anschein, man würde Woche für Woche mit einer neuen Aufgabe an die Hand genommen, um so Schritt für Schritt den eigenen Roman zu schreiben – doch der Schein trügt.
Worum es sich bei dem Buch eigentlich handelt
Bereits im Vorwort konkretisiert die Autorin, dass sich das Buch auf eine Zeitungskolumne zurückführen lässt. Es handelt sich also um eine Mischung aus Schreibaufgaben, Erläuterungen zu den einzelnen Übungen, Ausführungen zum Romanschreiben an sich und zu den Einsendungen der Zeitungsleser.
Der journalistische Ursprung der Texte und das wöchentliche Erscheinen der Übungen bleibt in diesem Buch durchgängig sichtbar: Sie bauen zum Teil nur locker aufeinander auf. Von einer Gesamtkonzeption zum Schreiben eines Romans kann nur im weitesten Sinn gesprochen werden.
Der Aufbau der Schreibbegleitung
Nehmen wir die Gesamtheit der Übungen in den Blick, so lassen sich daraus einzelne Schritte ableiten, welche die Autorin auf dem Weg zum eigenen Roman für notwendig hält:
- Zuerst geht es darum, ins Schreiben zu kommen. Nach ihrer Auffassung ist es wesentlich wichtiger, dass du überhaupt schreibst, als was du schreibst.
- Als nächstes steht die Ideenfindung an. Hier kannst du entweder deine eigene Biographie zum Ausgangspunkt nehmen oder mit Hilfe einfacher Übungen deine Fantasie anregen.
- Um sich beim Schreiben nicht zu verlieren, sollte die Romanidee auf den Punkt gebracht werden. Dies bedeutet nicht, dass sie sich nicht im Entstehungsprozess verändern kann. Dennoch ist es hilfreich, wenn du bereits vor dem eigentlichen Schreiben eine Vorstellung davon hast, worum es im Kern geht.
- Die Figurenentwicklung ist ein weiterer wichtiger Schritt, nicht nur, um die Figuren besser kennenzulernen, sondern auch um den Plot organisch aus ihrer Motivation heraus zu entwickeln.
- Die Autorin erläutert anhand konkreter Beispiele, wie Schreiben und Plotentwicklung Hand in Hand gehen können. Dies erinnert eher an eine Entdeckungsreise, als an einen durchgeplanten Prozess.
- Schließlich kommen – wenn auch eher am Rande – Schreibstil und Überarbeitung des Erstentwurfs zur Sprache.
Schön und nicht so schön
Mein Urteil über diesen Schreibratgeber fällt durchwachsen aus. Einiges ist wirklich gelungen und ein gutes Kaufargument. Doch solltest du auch genau wissen, welche Schwächen der Ratgeber hat.
Gelungene Aspekte
Die vorgeschlagenen Übungen werden immer anhand möglicher Bearbeitungen erläutert. Dies macht die Ideen sehr klar und du kannst dich mit konkreten Texten auseinandersetzen.Die Autorin reflektiert das Romanschreiben von Grund auf und bezieht den Zusammenhang von Schreiben und Leben sowie die Grundfrage nach der Lust zu schreiben mit ein.
Wir haben somit einen durchweg ganzheitlichen Ansatz, der den ganzen Schriftsteller in den Blick nimmt.Die Übungen sind z.T. ausgefallen und in der Lage, die eigene Kreatiivität anzuregen.Anekdotische Einschübe machen die Lektüre kurzweilig und unterhaltsam.Insgesamt eine sympathische Herangehensweise, die Abstand nimmt von den in Mode gekommenen Schreibschulen und Kursen aller Art, welche die Plotentwicklung vor das eigentliche Schreiben stellen und dabei die Textsorte Roman mit Blockbustern aus dem Hollywoodkino verwechseln.
Enttäuschende Aspekte des Ratgebers
Es ist zwar gut und richtig, dass der Ideensammlung großes Gewicht zugewiesen wird, doch könnten die Anstöße noch besser auf Romanideen ausgerichtet sein. Sie sind eher dazu gut, ganz allgemein ins Kreative Schreiben zu kommen.
Die Erläuterungen zwischen den Übungen sind teilweise sehr ausschweifend. Die Erfahrungen der Autorin mit ihren Kolumnen sind für werdende Romanautoren nur am Rande hilfreich.
Das Verhältnis praktischer Übungen zum Rest des Buchs ist am Ende ernüchternd. Letztlich finden sich 16 Übungen, von denen wiederum nur ein Bruchteil direkt mit dem Schreiben eines Romans in Zusammenhang steht.
Das vorgeschlagene Vorgehen geht nicht auf die unterschiedlichen Kreativtypen ein. Zwar erwähnt die Autorin, dass sie eben ihre Art und Weise Romane zu schreiben vermittelt, doch sollte ein Schreibratgeber mit dem Anspruch, der im Untertitel formuliert wird, darüber hinausgehen. Als Schreibtrainer und Autorencoach habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr gut funktioniert, werdenden Autoren unterschiedliche Möglichkeiten vorzustellen und gemeinsam herauszufinden, welche Arbeitsweise ihnen am besten liegt.
Für wen dieses Buch etwas ist
Alle, die Lust haben, das Schreiben regelmäßig in ihr Leben zu holen und die bisher nur davon geträumt haben, finden in diesem Ratgeber einen unterhaltsamen, wohlwollenden Begleiter. Er ist vor allem für diejenigen geeignet, die ihrem Schreiben Zeit geben wollen, sich zu entwickeln.
Wer tatsächlich eine Art Anleitung sucht, einen möglichen Fahrplan, um innerhalb eines Jahres eine Romanidee, fesselnde Figuren und eine Geschichte zu entwickeln, den Erstentwurf zu schreiben und diesen womöglich noch zu überarbeiten, wird von dem Buch jedoch ziemlich alleine gelassen. Wenn du bereits regelmäßig schreibst, geht es dir zu langsam. Und wenn du eine konkrete Orientierung fürs Romanschreiben brauchst, bleiben die Hilfestellungen zu unkonkret, einseitig und punktuell.
Ein Roman in einem Jahr von Louise Doughty ist im Autorenhaus Verlag erschienen und für 16,80 Euro erhältlich.