von Christine Pepersack
Aufblende. Ein stickiges Zimmer an einem heißen Sommernachmittag. Staubflusen tanzen in den hereinfallenden Sonnenstrahlen. Auf dem Boden liegen verstreut eng beschriebene Seiten, einige davon zusammengeknüllt, andere wieder geglättet. Wir hören das hektische Kratzen einer Feder auf Papier; die Kamera fährt zurück: Am Schreibtisch ein tief über die Tischplatte gebeugter Mann, der mit schnellen Handbewegungen Zeile um Zeile füllt. Abblende.
Ein Autor bei der Arbeit. So könnte ein Spielfilm beginnen, in dem es um einen Autor geht. Vielleicht erinnert uns das auch an unser eigenes Leben. Nur, dass wir nicht mehr mit Feder und Papier schreiben und deshalb auch keine Seiten mehr zerknüllen und gegen die Wand werfen, wenn die Idee doch nicht so das Gelbe vom Ei war. Schade eigentlich, denn es ist ein irgendwie romantisches, wenn auch aussterbendes Bild der Autorenzunft.
Wie finde ich eine Romanidee?
Ein Haufen nutzloses Papier – so beginnt die Stoffentwicklung
Sprung zurück in die Gegenwart. Die Entwicklung eines neuen Stoffs oder einer neuen Idee kann ganz schön viel Abfall produzieren. Heute besteht der hauptsächlich aus geistigem Müll, den wir mit der Backspace-Taste ganz elegant in die digitale Wüste schicken. Irgendwann aber liegt sie vor uns: die glänzende Perle unserer Mühen – eine Idee ist geboren. Aber eignet sie sich auch für das neue Großprojekt?
Wonach entscheidest du, ob deine Idee groß und gut genug ist für deinen neuen Roman? Einfach drauflos schreiben wäre ganz schöne Zeitverschwendung, wenn sie sich als Irrlicht herausstellt.
Beginnen wir also ganz vorn: Ideen kommen von überall her. Es kann eine Figur sein, deren Geschichte du schon lange erzählen willst. Es kann ein ganz bestimmtes Setting sein, das dir nicht mehr aus dem Kopf geht und das zu Papier gebracht werden will. Es kann ein winziges Detail sein, das den Anstoß zu einer großen Geschichte gibt – so wie die langweilige Zugfahrt, die eine gewisse Joanne K. Rowling dazu inspiriert hat, eine siebenteilige Buchreihe über einen Zauberschüler zu schreiben, der auf einem Zauberinternat seine Abenteuer erlebt.
Wenn aus rohen Steinen kostbare Diamanten werden
Halten wir also fest: Auch eine kleine Idee hat eine Chance verdient. Vielleicht wird sie einmal der Grundstein deines literarischen Erfolgs. Die Kunst bei der Entwicklung deines Romans liegt darin, eine Story zu entwickeln, die deine Leser in den Bann zieht.
Um zu verstehen, welche Elemente eine Story haben muss, damit sie ein breites Publikum findet, lohnt es sich, einen Blick über den großen Teich zu werfen. Hollywood macht es mit seinem Blockbuster-System jedes Jahr aufs Neue vor, wie man die Massen ins Kino zieht. Die Filme mit den meisten Zuschauern lassen sich allerdings häufig auf dieselben Prinzipien reduzieren, die den Erfolg quasi garantieren und Geldgeber überzeugen, große Summen in die Produktion zu stecken.
Nachfolgend habe ich für dich 5 Prinzipien zusammengestellt, die Hollywood-Klassiker erfolgreich machen – und die auch deinem Roman zu mehr Würze verhelfen können.
Einen Roman schreiben – 5 Prinzipien aus der Drehbücher-Dramaturgie
Prinzip 1 – Die Heldenreise
Die Heldenreise ist der Klassiker unter den Hollywoodfilmen. Das Prinzip wurde schon in antiken Mythen-Erzählungen verwendet, doch zur Formvollendung führte es der Amerikaner Joseph Campbell. Er teilte die Heldenreise in feste Stationen ein, die jedoch nicht zwingend alle in der Story vorkommen müssen. Auf seiner Reise begegnet der Held, der häufig gar keiner sein möchte, vielen Gefahren und Aufgaben, an denen er wächst. Am Ende schafft er es, seinen Gegenspieler zu besiegen und die Welt ein Stück besser zu machen – oder, da wir von Hollywood sprechen, können wir auch gleich sagen: die Welt vor dem Untergang zu bewahren.
Sehr deutlich diesem Prinzip folgt z.B. Christopher Paolinis Debütroman „Eragon“, der heute zu den absoluten Bestsellern auf dem Fantasy-Markt zählt. Einen genaueren Blick auf die Heldenreise wirft mein Kollege Ron Kellermann, indem er die einzelnen Stationen zusammenfasst.
Prinzip 2 – The Stakes are High
Wenn Hollywood Action-Kino macht, gibt es im Grunde in allen Filmen der letzten Jahre nur ein Ziel: die Rettung der Welt. Wovor die Welt gerettet werden muss, darin liegt der eigentliche Spielraum der Geschichten. Vor Aliens (Independence Day), vor Zombies (World War Z), vor der biblischen Apokalypse (Noah), vor der vom Menschen selbst herbeigeführten Apokalypse (Interstellar) – völlig egal. Hauptsache die Welt, wie wir sie kennen, steht auf dem Spiel.
Der Sinn hinter diesem hehren Ziel ist einfach: Es gibt den Protagonisten eine Aufgabe, von der wirklich etwas abhängt. Denn es ist nicht dasselbe, ob der Held die Katze der alten Lady von gegenüber aus einem Baum rettet, oder ob er eine ganze Invasion von Außerirdischen zurückschlägt.
Was bedeutet das für deinen Roman? Es muss natürlich nicht gleich das Ende der Welt sein. Wichtig ist, dass du eine Aufgabe bzw. ein Ziel für deinen Protagonisten entwickelst, von dem WIRKLICH etwas abhängt, und zwar über sein eigenes Leben hinaus.
Prinzip 3 – Bigger, Better, Faster
Werfen wir mal einen Blick auf die The Fast and the Furious Reihe. Mit jeder neuen Episode der Blockbuster-Erfolge wurden die Autos teurer, die Rennen schneller, die Risiken größer, die Stunts gigantischer. Damit folgt die Universal Pictures Reihe einem anhaltenden Trend, der in Hollywood gerade eine nicht enden wollende Spirale an Filmen auslöst, die sich in Sachen Gigantismus gegenseitig zu übertreffen suchen.
Keine Sorge, du musst nicht gleich den nächsten Kassenhit landen. Aber wenn du schon schreibst, warum dann nicht auch ein bisschen gigantisch? Spiel also direkt die guten Karten aus und lass die langweiligen Handlungsstränge lieber in der Schublade liegen.
Prinzip 4 – Die Macht der Mythen
Jede Story braucht ein Geheimnis. Etwas, dem der Zuschauer erst am Ende auf die Schliche kommt. Wie langweilig wären Filme wie The Sixth Sense oder Matrix, wenn man schon am Anfang die Auflösung kennen würde? Zur Perfektion und damit schon fast ad absurdum geführt hat das übrigens die Erfolgsserie Lost, die auf dem Mythos eine komplette Welt aufbaut.
Mythen sind so alt wie die Menschheit selbst. Das Schöne an einem Mythos ist das geheimnisvolle, das ihm anhaftet – wie viel entspricht der Wahrheit? Wie viel wurde über die Jahrhunderte hinweg dazu erfunden? Wo liegt der Kern der Wahrheit?
Indem du einen Mythos in die Welt deines Romans integrierst, hältst du deine Leser automatisch bei der Stange. Wenn du dann nach und nach, Stückchen für Stückchen enthüllst, was hinter dem geheimnisvollen Vorhang steckt, kannst du die große Offenbarung am Ende der Geschichte perfekt vorbereiten.
Prinzip 5 – Wo ist Jane?
Was wäre Superman ohne seine Lois, was wäre Tarzan ohne seine Jane? Selbst der moderne Antiheld Deadpool aus gleichnamigem Blockbuster kommt nicht ohne Vanessa, seine große Liebe, aus.
99% aller Filme und Serien erzählen irgendwo eine Liebesgeschichte. Nicht immer muss das in der Haupthandlung passieren, und manche Filme tun das sogar versteckt, doch ein Hauch Romantik gehört zur Essenz aller erfolgreichen Filme.
Was wir daraus lernen können? Auch der härteste Kerl braucht ein Mädchen, das er lieben (und häufig auch retten) kann (James Bond). Und selbst die kratzbürstige Studentin findet am Ende den einen Typen, mit dem sie zusammen sein will, obwohl sie gerade ihn eigentlich zum Kotzen fand (10 Dinge, die ich an dir hasse).
Die Zutaten für den perfekten Roman?
Reden wir nicht lange um den heißen Brei: Den perfekten Roman gibt es nicht. Genau so wenig wie den perfekten Film. An jedem Roman, an jedem Film findet jemand etwas zu kritisieren. Und das ist auch gut so, denn Bücher und Filme sind nun mal Geschmackssache.
Natürlich sind diese 5 Prinzipien nicht die einzigen Zutaten für einen guten Film oder einen guten Roman. 1000 andere Kleinigkeiten sind es, die gute von weniger guten Büchern unterscheiden. Der Blick auf Hollywood aber zeigt: Andere kochen auch nur mit Wasser. Und haben trotzdem Erfolg. Also warum nicht mal das eine oder andere Hollywood-Prinzip an deiner nächsten Romanidee ausprobieren und sehen, was passiert?
Christine Pepersack hat das Schreiben zum Beruf gemacht. Als Autorin textet sie für Onlineunternehmen und schreibt Drehbücher und Kurzgeschichten. Als Lektorin gibt sie fertigen Texten den letzten Schliff – ob Grammatik, Rechtschreibung oder Stilfragen, sie hat auf alles eine Antwort. Mit ihren Kollegen von Anstiftung zum Wort hilft sie Menschen dabei, ihr erstes Buch zu schreiben. Auf ihrer Seite The Writer’s Loft bloggt sie außerdem über Dramaturgie und Storytelling, als feste Autorin auf Filmschreiben.de übers Drehbuchschreiben.