Diese 3 Regeln sind Gift für deinen Roman!

Der Inland-Taipan gilt als die giftigste Schlange der Welt. Zwar kommen Bisse selten vor, doch theoretisch könnte das Gift eines einzigen bis zu 250 Menschen töten. Und doch ist das Gift bei Forschern begehrt, um aus ihm lebensrettende Medikamente zu entwickeln.

Ähnlich ist das auch mit folgenden Schreibregeln. Nur, dass es nicht um Menschenleben geht, sondern um deinen Roman. Erkenne die Gifte, die dazu in der Lage sind, es um die Ecke zu bringen, und lerne, wie du sie als heilsame Medizin nutzen kannst.

Giftige Regeln

Nur so geht Drama

Plotstrukturen haben eine lange Tradition. Schon Aristoteles ließ sich darüber aus, wie eine gute Geschichte aufgebaut sein sollte. Und auch heute noch lassen sich viele Romanstrukturen auf den klassischen 5-Akt-Aufbau des Dramas oder auf die Heldenreise zurückführen.

Was liegt da näher, als einen Roman von vornherein entsprechend zu planen? Bis ins kleinste Detail lässt sich festlegen, was wann geschehen muss, wo die Plotpoints zu liegen haben und wie die Szenen aufeinanderfolgen sollen.

Plottest du vor dem Schreiben deinen Roman beflissen und überlässt dabei nichts dem Zufall, erhöhst du die Chancen, dich beim Schreiben nicht zu verirren. Zugleich killst du deinen Roman, noch bevor es überhaupt richtig losgegangen ist.

Letztlich bist du dann beim Schreiben ein Gefangener deiner eigenen Vorgaben. Denn wenn dich die Kreativität packt und du auf diese oder jene Idee kommst, wie es mit deinen Helden weitergehen könnte, musst du dich sofort bändigen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Geschichte aus dem Ruder läuft und sich dein schönes Plotkonstrukt als Kartenhaus entpuppt. Dann war all die Mühe umsonst.

Falls es dich nicht zu Tode langweilen sollte, etwas zu schreiben, was du bis ins kleinste Detail vorher schon weißt, gelingt dir womöglich so etwas wie ein Roman. Doch sehr wahrscheinlich wird der nicht besonders originell ausfallen, sondern gleicht eher einem Abklatsch bereits vorhandener Werke: Literatur von der Stange, ziemlich uninspiriert.

Show, don’t tell

Ein berühmter Leitsatz, den sich viele Schreiblehrer auf die Fahnen geschrieben haben. Damit ist gemeint, dass der Leser erleben soll, was er liest. Du sollst so gut schreiben, dass er spürt, was gerade los ist, ohne dass du es ihm sagst.

Klingt toll?

Nun, wenn du den Satz beim Schreiben tatsächlich zum Prinzip erklärst, wird auch er zum tödlichen Gift. Hast du in einem längeren Text schon einmal versucht, wirklich alles zu zeigen? Zum einen ist die Gefahr groß, dass deine Sprache künstlich wird, da du dich nicht mehr traust, Dinge beim Namen zu nennen. Zum anderen kommst du nur allmählich voran. Vor allem, wenn deine Helden einen längeren Weg vor sich haben sollten, ist diese Regel für dein Projekt schlichtweg tödlich.

Erschaffe tiefe Figuren

Im Mittelalter bestanden die Figuren in Erzählungen aus Stereotypen. Heute hingegen müssen Romanfiguren einen eigenen, möglichst tiefen Charakter aufweisen, damit der Roman funktioniert. So zumindest lautet diese verbreitete Regel.

Also wird empfohlen Figuren auszugestalten, bevor du zu schreiben beginnst. Du kannst ihnen dazu z.B. eine ganze Reihe an Fragen stellen, um sie besser kennenzulerenen, ihnen äußere und innere Konflikte andichten sowie ein komplexes Innenleben, an dem Sigmund Freud seinen Spaß gehabt hätte.

Nachdem du deine Figuren bis ins kleinste Detail erkundschaftet hast und dich nichts mehr an ihnen überraschen kann, da du sie auswendig kennst, beginnst du zu schreiben. Und was passiert dann? Ziemlich sicher machen deine Figuren das, was sie wollen, und nicht das, was du von ihnen verlangst. Nichts passt mehr zusammen. Du hast sie doch zuvor so schön erforscht. Und nun sind sie doch ganz anders. Wie kann das sein?

Das Gift hat deine Figuren bereits getötet, bevor sie überhaupt richtig zum Leben erwachten. Deren Tiefe macht sich nämlich nicht daran fest, dass du alles über sie weißt. Sondern daran, dass sie innerhalb des Textes funktionieren und ihre Persönlichkeit entfalten. Außerdem solltest du beim Schreiben auch noch ein wenig auf deine Figuren neugierig sein. Das macht das Ganze beim Schreiben erst interessant. Und das merkt auch am Ende der Leser.

Regeln beim Romanschreiben – Aus Gift wird Medizin

Begreifen wir die beschriebenen Regeln nicht länger als Regeln, sondern als Möglichkeiten, so ziehen wir ihnen den Giftzahn. Dann verwandeln sie sich in hilfreiche Werkzeuge für dein Schreiben, die es dir erlauben, dich zu orientieren.

Damit das klappt, solltest du die einzelnen Phasen des Romanschreibens im Blick haben. Auf jeweils unterschiedliche Weise können dir die Werkzeuge während der Planung, während des eigentlichen Schreibprozesses und bei der Überarbeitung helfen. Es kommt dabei vor allem auf die Dosis und die Art der Anwendung an.

Ein Kompass für deine Reise

Plotstrukturen sind hilfreich, wenn du sie nicht als Regel oder Vorschrift, sondern als Muster verstehst. Damit steht nicht von vornherein fest, wie deine Geschichte aussehen muss. Du kannst die unterschiedlichen Plotmuster vielmehr als Werkzeug heranziehen, wenn du dir beim Schreiben gerade nicht sicher bist, wo du Reise hingehen soll.

Muster wie die Heldenreise oder die 5-Akt-Struktur sind dann keine Vorgaben mehr, sondern eine Art Kompass, der dir hilft dich zu orientieren. Sie ermöglichen es dir zu verstehen, worum es dir eigentlich geht.

Zeigen und Erzählen

Show don’t tell! ist letztlich ein Anfängertipp, der eine ganz bestimmte Art des Schreibens als besonders gelungen voraussetzt. Er ist in der Lage, deine Natürlichkeit beim Schreiben zu killen und dich zur ständigen Suche nach künstlichen Ausdrucksweisen zu verdammen.

Dabei ist auch hier die Dosis entscheidend. Gewählt eingesetzt ist es wundervoll, den Leser spüren und erleben zu lassen, was gerade passiert, ohne ihm alles zu verraten. Und vor allem kann Show don’t tell! auf ganz unterschiedliche Weise gedacht werden. Es muss nicht immer das ausgefuchste Stilmittel sein, durch welches du etwas zeigst.

Am hilfreichsten ist es, diesen Ratschlag in Überarbeitungsphasen zu berücksichtigen. Du kannst ihn zur Hand nehmen, wenn du deiner Geschichte gerade nicht abnimmst, was geschehen soll. Dann scheint etwas mit der Erzählweise nicht in Ordnung zu sein. Indem du nun an ausgewählten Stellen mit Ausdrucksweisen experimentierst, um etwas zu zeigen, anstatt es bloß zu behaupten, machst du deinen Roman lebendig, ohne von vornherein in die Giftfalle zu tappen.

Figuren schreibend ergründen

Natürlich ist es toll, wenn deine Figuren nicht schematisch sind, sondern echt und vielschichtig wirken. Doch zum einen kann man es damit auch übertreiben, denn viele Texte, z.B. aus der Spannungsliteratur, funktionieren gerade, da sie ihre Figuren nur mit wenigen Strichen zeichnen, ohne es psychologisch zu übertreiben. Zum anderen gelangst du nicht zu lebendigen Charakteren, indem du alles vor dem Schreiben festzulegen versuchst.

Vielmehr ist das Schreiben selbst eine großartige Chance, die Eigenschaften deiner Figuren zu ergründen. Konzentriere dich bei deiner ersten Charakterisierung auf einige wenige zentrale Aspekte und leg erst einmal los. Du wirst schon sehen, wohin die Reise geht und deine Figuren dabei immer besser kennenlernen. Lass dich darauf ein. Ähnlich wie beim Plotten ist dies ein Prozess, der erst am Ende deiner Arbeit abgeschlossen sein wird.

Roman schreiben – Regeln und Schreibgleichgewicht

Zu unterschiedlichen Persönlichkeiten gehören auch unterschiedliche Arbeitsweisen. Ein Roman kann sicherlich auf vielerlei Weise entstehen. Und für manche ist es vielleicht gerade richtig, erst einmal einen großen Schluck von den hier beschriebenen Giften zu nehmen, bevor es richtig los geht.

Doch nun kennst du deren Gefahren und kannst sie als Werkzeuge sehen, auf die du bei Bedarf zurückgreifen kannst. Anstatt dich Regeln gegenüber zu sehen, verfügst du so über Medizin, die du nutzen kannst, wenn dein Romanentwurf schwächelt. Egal ob dramaturgisch, stilistisch oder bezogen auf die Figuren.

Finde also dein persönliches Gleichgewicht zwischen Schreibflow und dem Einsatz der Schreibmedizin beim Romanschreiben. Und pass auf, wie viel du davon nimmst.

Was meinst du zu dem Thema: Zustimmung? Widerspruch?

33 Kommentare, sei der nächste!

  1. Toller Artikel.
    Ich stimme dir voll zu. Ich würde aber noch ergänzen, dass man den Plot auch benutzen kann, um die Geschichte allgemein zu beschreiben. Dabei sollte man aber dies auch, wie du bereits erwähnt hast, nur als Leitfaden sehen.
    So mache ich das zumindest und ich finde, dass Veränderungen während des Schreibens sich eher positiv auswirken.

    Vielen Dank für diesen Artikel und mit freundlichen Grüßen
    margladiator324

    1. Moinmoin margladiator324,
      vielen Dank für das Feedback, das bedeutet mir viel!
      Super auch deine Ergänzung! Klar, spätestens für’s Exposé ist eine gute Zusammenfassung unabdingbar.
      Schöne Schreibgrüße
      Andreas

  2. Ehrlich.

    Was ein Stuss. Nicht inhaltlich sondern die Art der Aufmachung.

    Deine drei rötlichen Fehler!!! Aber wenn du es richtig dosiert falsch machst ist es wieder richtig?

    Solche Tipps sind nutzlos.

    1. Lieber Michael,
      erst einmal freue ich mich, dass du meine Ausführungen nicht inhaltlich für „Stuss“ hältst. Was genau du nun mit „rötlichen“ Fehlern meinst, ist mir nicht klar.
      Richtig: Die Dosis ist häufig entscheidend, aber auch die Art und Weise, wie wir mit „Regeln“ oder besser Leitsätzen oder Konzepten umgehen. Das habe ich versucht mit meinem Artikel zu zeigen, sinnlos ist dies aus meiner Erfahrung heraus und aus der Erfahrung vieler anderer nicht.
      Selbstverständlich muss man das aber nicht so sehen. Interessant hätte ich deine fachlich-sachliche Meinung in freundlichem Tonfall gefunden.
      Beste Schreibgrüße
      Andreas

  3. Ich hab schon beides versucht: In einem Schreibkurs meine Figuren regelrecht seziert und auch einfach drauf los geschrieben. Beides hat für mich nicht funktioniert. Ich sitze am selben Buch, zum x-ten (ja- ich will es wirklich und unbedingt schreiben…grins) mal und stelle für mich fest, die Dosis ist tatsächlich das entscheidende. In meinem aktuellen Projekt hab ich mich nun entschieden, eine Arbeitsfassung zu schreiben. Alles wie es raus muß. Das gibt den Figuren auch Raum sich zu entwickeln. Eine erste Überarbeitung gilt dann Dingen wir „show don´t tell“ und sicher auch hier und da schon Veränderungen an den Figuren…ich überarbeite ja mehr als einmal…aber das für mich einzusehen, festzustellen, das alles andere MEINEN Flow blockiert, war ein wirklich harter Job!

    LG SAM

    1. Liebe Sam,
      vielen Dank für den Einblick in dein eigenes Schreiben! Ja, ich finde auch, dass es einfach unterschiedliche Phasen gibt beim Schreiben. Die konkrete Mischung ist bei jedem unterschiedlich. Aber mit den wichtigsten Zutaten, um sich diese Mischung zusammenzustellen, kann ich dienen 🙂
      Ich habe mich gerade auf deiner Homepage umgesehen. Was macht der geplante Roman?
      Schöne Schreibgrüße!
      Andreas

  4. Ich stimme dem Grundton in diesem Artikel generell zu, obwohl ich mir die Punkte noch etwas ausgefeilter gewünscht hätte. Mir fehlen einfach die konkreten Beispiele am Text. Ist natürlich klar, dass diese nicht einfach aufzutreiben sind, aber gerade ein Neuling, für den diese Hinweise extrem wichtig sind, versteht dadurch evtl. nicht so ganz, was gemeint ist.
    Ansonsten ist die Dosis natürlich entscheidend und auch vom Text selbst abhängig. Gerade show don’t tell wird viel zu schnell als Kritik angebracht. Zeige mehr und erkläre weniger! Schreibe nicht: „Sie ist wütend“, sondern zeige das in allen Facetten. Was darunter dann genau zu verstehen ist, weiß meist weder der Autor noch der Kritiker. Und ja, manchmal muss man einfach auch mal etwas konkret benennen, damit nicht nur Verwirrung bleibt.

    1. Hey Mika,
      ja, konkrete Beispiele wären sicherlich hilfreich, das nehme ich als Anregung mit, vielen Dank!
      Show, don’t tell ist am Anfang wichtig, um überhaupt zu begreifen, was sich mit Sprache alles machen lässt. Danach kommt es aber wie du schön schreibst auf den passenden Einsatz drauf an.
      Woran schreibst du denn?
      Schöne Schreibgrüße
      Andreas

  5. Hallöle Andreas,
    ja, es gibt sicher Regeln, für alles und oft sind die auch nötig, wie die Rechtschreibung, aber auch hier wird sehr oft verschlimmbessert. Zu deinem Erguss: Erst dachte ich, ups, was ist das wieder, genau das kann ich nicht. Plan machen, Mann bringt Fahrradfahrer um, Lebenslauf, Taten, Orte, Zeitstrahl. Genau so geht das nicht, das kommt, war eine Geschichte, nach erlebtem und dann kam der Fluss, nein man sagt ja Flow heute. Am Ende hat meine Frau noch gesagt, da fehlt was am Anfang, gut, noch drei Kapitel geschrieben und eingefügt. Nur so läuft das bei mir. Ich weiß zwar jetzt, wie „Der Kreuzfahrtmord“ enden wird, aber was davor noch kommt, weiß ich noch nicht. „Annis Geheimnis“ ruht in der Schublade, nein, auf der Festplatte, da will ich noch einmal ran, korrigieren eh, ist erst fürs Frühjahr 18 geplant. Aber da habe ich noch was im Kopf, das muss da rein. Aber das war auch nur eine Idee und floss dann heraus, hier war mir klar, wie das Enden soll, aber wie nicht. Aber du hast die Kurve bekommen, für mich jedenfalls, im Moment, ich darf weiter so machen. Das ist gut so,
    liebe Grüße Frank
    Ach so, ich lese am Samstag ab 14:00 Uhr, falls du in Berlin bist.

    1. Lieber Frank,
      Schreibfluss ist schön und Gedankenfluss auch. Gerade in Planungs- und Überarbeitungsphasen können dramaturgische Strukturen aber sehr hilfreich sein. Und diese Phasen müssen nicht unbedingt vor oder nach dem Schreiben liegen sondern können auch dazwischenliegen.
      Im Übrigen hat doch jeder seine eigene Arbeitsweise und das ist ja auch wichtig. Schließlich sind wir alle unterschiedlich. Ich kenne deine Bücher nicht, deshalb kann ich dazu nun nicht direkt etwas sagen. Doch auch deinen intuitiven Überlegungen liegen ja Prinzipien zu Grunde. Sich diese bewusst zu machen hilft manchmal, die eigenen Texte noch besser werden zu lassen. Nicht nur hinsichtlich der Rechtschreibung.
      Soweit nachvollziehbar?
      Viel Erfolg bei der Lesung!
      Andreas

  6. Ganz verkürzt gesagt: Dein Beitrag, lieber Andreas hat mich regelrecht erleichtert. Ich habe immer gerne meine Geschichten geschrieben, aber seitdem mir überall diese Schreibregeln begegneten, kam allzu oft eine Verunsicherung auf. Wenn ich dann anhand dieser „Vorschriften“ kontrollierte, musste ich aber nur gelegentlich etwas umschreiben. Insgesamt behindert mich das Denken an die Schreibregeln sehr – und ein ausgefeilter Plot ist regelrecht tödlich für mich, weil er die Kreativität bremst. Momentan schreibe ich einen Fantasy und merke, dass die Szenen und Abfolgen sich einfach nicht an das entworfene Gerüst halten wollen. Dein Artikel macht mich wieder etwas froher 🙂

    1. Liebe Gerda,
      oh wie ich mich über dein Feedback freue. Genau diese Erfahrungen habe ich nämlich auch schon gemacht und es ist so toll, wenn ich dir dabei ein paar gute Gedanken mitgeben kann. Ich habe lustigerweise auch im Fantasy-Bereich einmal einen Plot bis ins kleinste Detail entwickelt. Doch die Figur hat überhaupt nicht daran gedacht, sich daran zu halten.
      Schau nach der Figur und danach wo sie hinwill. Ein Plan ist dafür da über den Haufen geworfen zu werden, wenn es denn sein muss 🙂
      Schöne Schreibgrüße!
      Andreas

  7. Hallo Andreas,
    dein Beitrag ist zwar schon ein Weilchen her, doch ich durfte ihn erst heute entdecken.

    Meistens kommentiere ich keine Blogartikel, aber manchmal packt es mich – so wie heute. Ich finde deinen Beitrag zum Thema Schreibregeln großartig! Seit Jahren frage ich mich nämlich, ob diese ganzen schriftstellerischen Dogmen sein „müssen“. Klar, sie sind für viele Hobbyschreiber und angehende Autoren praktische Richtlinien und können mitunter ernorme Hilfe leisten. Ich habe in der Vergangenheit schon richtig viel dadurch lernen können. Wenn man sich aber darauf versteift und es als Muss ansieht, wie es mir passiert war, wird das zum Gift für die Kreativität. Das hast du sehr treffend ausgedrückt.

    Ich war einst Mitglied auf der einen oder anderen Schreibplattform im Netz, habe dort das eine oder andere Mal auch einen Text hineingestellt und musste leider feststellen, dass 98% der Kommentatoren sich auf eben diese Regeln gestützt und jeden meiner Sätze mit dem Hintergrund dieser Regeln analysiert haben. Es wurde jeglicher eigener Schreibstil ignoriert oder womöglich gar nicht wahrgenommen. Jeder war so sehr auf diese vermeintlichen Regeln der Schreibratgeber fixiert, dass mir der Austausch mit anderen Schreibern irgendwann keinen Spaß mehr gemacht hat. Und auch die Lust am Schreiben selbst, die Muse, verlor ich allmählich.

    Irgendwann wurde mir bewusst, dass Richtlinien und Tipps gut sind, aber nicht zwingend. ich habe begonnen, für mich selbst zu entdecken, was mich im Schreibprozess voran bringt und was mich hemmt. So konnte ich den Zwang besiegen. Deinen Artikel nun kurz nach meinen persönlichen Erfahrungen zu lesen, war deshalb doppelt toll! Und ich freue mich sehr, dass es noch mehr Leute gibt, die deine Ansichten teilen.

    Beide Daumen hoch für deine Website. 🙂

    Alles Gute, liebe Grüße und weiterhin viel Muse,
    Lia

    1. Liebe Lia,
      es freut mich sehr von deinem persönlichen Schreibweg zu lesen. Vielen Dank, dass du eine Ausnahme gemacht hast, und einen Blogartikel kommentiert 🙂 Ich kann dir übrigens nur zustimmen: Es geht darum, das eigene, ganz persönliche Schreiben zu entwickeln. Werkzeuge, Stiltipps, Muster sehe ich immer als Hilfsmittel an, damit genau dies gelingt. Manchmal ist das aber ein schmaler Grad und auf das richtige Fingerspitzengefühl kommt es an…
      Weiterhin viel Spaß beim Schreiben!
      Andreas

  8. Hallo Andreas,

    deinem Beitrag kann ich nicht so einfach zustimmen. Auch bei der „Dosis“ muss differenziert werden.

    Als ich meinen ersten Krimi schrieb, wurde ich gefragt, ob ich schon wüsste wer der Mörder ist. Hah! Logisch! Sonst könnte ich nicht schreiben. 😉
    Am Anfang steht die Idee! Ich kenne den Leichenfund und den Showdown; wenn ich gut bin, vielleicht noch etwas Nebenhandlung. Für alles andere bin ich noch offen, solange es der Geschichte dienlich ist.

    Natürlich muss man im Genre unterscheiden. Erzähle ich eine Wandlungsgeschichte, interessiert mich als Autor nur die Prämisse, z.B. zu viel Geld macht unglücklich. Für all das, was dazwischen geschieht, kann man seiner Kreativität freien Raum lassen. Wichtig ist nur: Am Schluss muss diese Prämisse bewiesen sein. Denn wenn plötzlich Geld glücklich macht, ist es ein anderes Buch und nicht das, das man schreiben wollte.

    Bei einem Krimi ist der Planungsaufwand meiner Meinung nach höher. Wann gebe ich welche Info dem Kommissar bzw. dem Leser. Wann darf er wissen, wer der Mörder ist. Wann begeben sich meine Figuren in Gefahr, wann steigere ich die Spannung? etc. Ich erstelle in bestimmten Phasen sogar Stufendiagramme, um den Ablauf genau zu planen. Logikfehler finde ich tödlich.
    Ich schreibe erst eine Rohfassung, in der ich alle meine Fakten unterbringe. Manche Szenen sind nur Skizziert. In dieser Phase haben sich meine Figuren und auch mein Schreibstil verändert. (man hat sich warm geschrieben) Beim Überarbeiten wird dann alles „angepasst“.
    Es gibt einen tollen Spruch:
    die erste Fassung schreibt man fürs Herz, die Zweite für den Kopf.

    Beim „show don´t tell“muss der Autor abwägen, welches Erzähltempo er erreichen möchte. Deshalb kann man „Dosis“ nicht pauschalisieren, sondern „wann“ setzte ich es ein.

    Aber da tickt jeder Mensch anders. Für mich funktioniert es.

    lg
    Alex

    1. Lieber Alex,

      vielen Dank für deine ausführlichen Überlegungen!

      Wichtige Differenzierungen, die du da nennst.

      Prämissen finde ich jedoch schwierig. Ich muss da immer an einen typischen Satz aus dem Deutschunterricht denken: „Was will uns der Autor damit sagen?“ Im Literaturstudium wurde mir der schön ausgetrieben. Und ich lasse den garantiert nicht zurückkommen. Wenn wir mit Prämissen ans Romanschreiben herangehen entsteht daraus häufig eine Art Erhobener-Zeigefinger-Literatur. Auf die stehe ich persönlich nicht so. Außerdem macht das Schreiben viel mehr Spaß, wenn wir uns dabei auf Entdeckungsreise begeben. Anstatt eine Art Sachbearbeiter unserer eigenen Vorschriften zu sein.

      Viele Schreibgrüße
      Andreas

  9. Hallo Andreas,

    wenn du von Romanen schreibst, was meinst du konkret damit? Spannungsliteratur? Liebesromane? Dann hätten wir nämlich schon mal zwei Genres, die nach extrem starren Regeln funktionieren und sich verkaufen wie geschnitten Brot. Die Aussage, dass man nicht „Regeln“ sondern eher „Konzepte“ oder „Richtlinien“ hernehmen sollte trifft zumindest auf diese nicht zu. Die Leser haben Erwartungen und die hat man als Schriftsteller in diesen Genres zu bedienen. Sicher, man kann, darf und soll experimentieren. Allerdings darf man dann nicht klagen, wenn die Experimentallyrik nicht jubelnd von der breiten Masse aufgenommen wird.
    Es gilt hier ganz klar: Will ich, dass meine Bücher gekauft werden, so muss ich mich an bestimmte Regeln halten. Oder aber ich weiss genau was ich mache, dann kann ich auch mal mit Regeln brechen. Geschieht dies jedoch nur aus Trotz, um es „den Etablierten“ mal so richtig zu zeigen, geht der Schuss höchstwahrscheinlich nach hinten los. Und womit? Mit Recht.

    Abgesehen davon finde ich es gut, die Regeln, und das bleiben sie, egal wie man sie nennt 😉 , mit Mass und Verstand einzusetzen. Zumindest von dem Moment an, ab dem man sie kennt. Davor sollte man sich eher daran halten. Es ist wie bei der Musik: Improvisieren können und tun die, die die Regeln in- und auswendig kennen. Davor ist „improvisieren“ halt bloss Gedudel. In der Literatur ist es nicht anders. Wer die Regeln kennt, darf und KANN sie brechen, wer sie nicht kennt … Gedudel.

    LG
    Patrick

    1. Lieber Patrick,

      ich habe gestern ein Kinderbuch als Weihnachtsgeschenk für meinen kleinen Neffen gekauft namens „Grünechsen gegen Rotecken“. So käme mir Diskussion leider vor, wenn ich dir jetzt wieder Kontra geben würde.
      Deshalb nochmals in aller Deutlichkeit: Ich habe nichts gegen Struktur. Und auch nichts gegen Plotten.
      Ich sehe meine Aufgabe als Schreibtrainer jedoch darin, Menschen auf ihren ganz persönlichen Schreibweg zu bringen. Der sieht bei jedem etwas anders aus. Muster und Strukturen sowie der Schreibflow spielen aber bei jedem in unterschiedlichster Form und Ausprägung eine Rolle.
      Kochrezepte und Malen nach Zahlen wirst du bei mir jedoch nicht finden. Das Romanschreiben ist immer auch ein Stück Persönlichkeitsentwicklung und Auseinandersetzung mit sich selbst. Die Prinzipien bestimmte Genres können dabei ein wichtiges Handwerkszeug sein. Am besten funktioniert diese jedoch, wenn du sie intuitiv anwendest (z.B. indem du viele Thriller oder Liebesromane gelesen hast) oder, wie im Artikel beschrieben, als eine Art Kompass verwendest. Deshalb rede ich auch nicht von Regeln. Sonst bist du beim Groschenroman angelangt. Hier übrigens ein interessantes Interview zum Thema: http://viertausendhertz.de/ddg19/

      Bei mir lernst du, deinen wirklich eigenen Roman zu schreiben. Nicht die Kopie der Kopie der Kopie.

      Herzliche Schreibgrüße

      Andreas

  10. Sehr schön geschrieben. Ich mag es auch nicht zu planen, meine Figuren entwickeln sich beim Schreiben. „Show don´t tell“, ist etwas das ich nicht mehr hören kann …
    Vielen Dank für diesen tollen Artikel.

    Liebe Grüße und eine schöne Weihnachtszeit
    Sarina

  11. Ich bin Dir sehr dankbar für den Artikel. Ich bin genau in die von Dir angesprochenen Fallen getappt und jetzt dabei, mich umzuorientieren. Kein einfacher Prozess, da ich mir die „Regel“ ins Gehirn eingehämmert habe – vor allem „Show don’t tell.“
    Ich habe alles Nicht-Szenische aus meinem Roman ferngehalten und mir jegliche Autorenstimme verkniffen. Im Ergebnis ist der Text zu langatmig und in Gefahr, die Spur zu verlieren. Die erzählenden Anteile helfen (glaube ich), der Geschichte eine Klammer zu geben, den Zusammenhalt zu gewährleisten/darzustellen. Im Prinzip geht das auch szenisch, indem ich den Protagonisten sich erinnern lasse, was sein Ziel und was seine Hindernisse sind. Aber eleganter ist, vermute ich, der Wechsel von szenischen und beschreibenden Anteilen.

    1. Lieber Sebastian,
      Erzählen ist ja auch super. Vielleicht sollte der Spruch deswegen auch nicht „Zeigen statt Erzählen“ heißen, sondern eher „Zeigen und Erzählen statt Sagen“. Erzählen und Beschreiben sind ja nicht dasselbe. Es funktioniert total gut, die Handlung kurz und knackig zu erzählen. Das muss nicht immer szenisch sein. Schwierig wird es nur, wenn du dem Leser zu sehr vorschreibst, wie er was zu verstehen hat.
      Können wir gerne mal an einem Beispiel von dir persönlich durchspielen.
      LG
      Andreas

      1. „Vielleicht sollte der Spruch deswegen auch nicht „Zeigen statt Erzählen“ heißen, sondern eher „Zeigen und Erzählen statt Sagen“.

        Das ist ja überhaupt der Kern der Sache! Sehr gut. Gibt mir ein gutes Gefühl 🙂

  12. Hi Andreas,
    hab deinen Blog erst heute entdeckt und so die verspäteten Gedanken von mir.

    Wirklich, ich liebe Schreibtipps. Ich sammle sie geradezu haufenweise. Woran liegt das? Vielleicht suche ich und nicht wenige andere Autoren und zukünftige Autoren nach dem ultimativen Super- Mega-Tipp. Nach einer Art innerer Autorenerleuchtung, damit wir nicht jeden einzelnen Schritt allein gehen und da und dort scheitern müssen.

    Und dann irgendwann merkst du dich selbst – nach all den wunderbaren Schreibtipps und Regeln. Du beginnst du verstehen, dass du es schon selbst erfahren musst und was du an Regeln annehmen möchtest und wo du eigene kreierst, um sie immer wieder zu brechen. … lach

    Ich hab viel gelernt und bin all den wunderbaren Ratgebern zutiefst dankbar, denn aus allen Informationen konnte und kann ich mein Ding machen. Der eine Ratgeber hat mich inspiriert, der andere organisiert. Aber letztendlich schreibe ich kein Buch in vier Wochen und halte mich nicht an meine erste Plotidee (gottseidank!) Aber all das hat mich weitergebracht und ich hab noch immer Lust auf Impulse und guten Rat, hey, sonst wäre ich nicht in deinem tollen Blog gelandet. (Kompliment dafür, sehr gut durchdachte Beiträge, die inspirieren).

    Weiter so, Andreas!

    Grüße
    Cookie

    1. Hey Cookie,
      du beschreibst das wunderbar, mir geht es ganz ähnlich! Schreibratgeber sind großartig. Doch manchmal verstellen sie uns die Sicht. Manchmal eröffnen sie auch Horizonte. Und am Ende begegnen wir uns in unseren Texten doch wieder selbst.
      Danke für den inspirierenden Kommentar!
      Andreas

  13. Toller Artikel, ich bin auch der Meinung, die Mischung macht’s.
    Besonders bei Show don’t tell, es ist unmöglich, das immer durchzuziehen und damit würde auch eher ein unglaublich anstrengender Text entstehen.
    Die Regeln helfen mir alle beim Schreiben, wenn ich mich nicht zu sehr in sie vertiefe.
    Ganz liebe Grüße!
    Laura

  14. Hallo Andreas,
    ich lief gerade Gefahr, mich in einem Wust aus Regeln zu verlieren. Habe sogar nach noch mehr Regeln gesucht, um weiterzukommen. Und da stoße ich auf Deinen Blog, lese diesen Artikel und denke: „Ja, genau! Ich schreibe mein eigenes Buch, mit meinen Worten, meinen Gedanken, also auch mit meinen Regeln!“ Ich dachte schon, ich müsste noch wochenlang meinen Plot weiter ausarbeiten, die Figuren noch intensiver röntgen, ehe ich endlich mit dem Schreiben beginnen kann… Dabei weiß ich doch schon längst, wo ich hin will. Also, ich gehe jetzt schreiben.
    Danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert